Eröffnung: Sonntag, den 07.09.2025 von 14 bis 18 Uhr
Begrüßung und Einführung 14:30 Uhr
Der schwarze Strich auf weißem Grund, war über drei Jahrzehnte Matthias Beckmanns feste Ausdrucksform, mit der er zahlreichen Museen, Kirchen, Stadtvierteln – grundsätzlich allem, was ihm von Interesse vor den Zeichenblock kam, in die zweite Dimension verhalf. Dass 2022, im Zuge einer artist-residency im südindischen Bangalore, nun die Farbe in Form von aquarellierten Teilflächen Einzug in seine Arbeit erhielt, liegt auch in der besonderen Seherfahrung begründet. Ob das indische Stadtbild tatsächlich farbenfroher ist als das europäische, sei dahingestellt. In einer Umgebung aber, in der unsere Wahrnehmung weniger routiniert ist, nimmt oft die Farbe die Rolle eines ersten Strukturgebers ein. Die Aquarellmalerei, die Beckmann ohnehin nicht fern lag, schaffte es auf diese Weise erstmalig in seine Arbeit direkt vor dem Objekt. Als der Künstler aus Indien schließlich wieder abreiste, nahm er sie mit und trug sie fortan in Form eines Aquarellpinsels mit Wassertank bei seinem Arbeitsgerät. In den nun gezeigten Werken aus drei jüngeren Aquarell-Reihen, entstanden in Finnland, auf Mallorca und im Berliner Bode-Museum, entdecken wir sie als neue, eigenständige Bildebene. Es sind weder immer die Zentren des Blattes, noch immer seine naheliegenden Protagonisten, die Farbe tragen, sondern mal kleinere, mal größere Bereiche in scheinbar zufälliger Ausbreitung über die Bildfläche. So entsteht eine unnachahmliche Unmittelbarkeit des subjektiven Moments, die der Skizzen- und Vorlagenfreien Arbeitsweise vorbehalten ist. Die Botschaft, die auch seine Zeichnungen immer schon mit sich trugen, wird im Aquarell dabei vielleicht noch deutlicher: Das Sehen ist kein rein physikalischer, sondern auch ein kognitiver Prozess, dem wir nicht passiv ausgeliefert sind, sondern an dem wir aktiv mitgestalten, bei dem wir uns Sehgewohnheiten entschieden hingeben oder uns bewusst über sie hinwegsetzen können.
Gerade Letzteres findet eine breite Entsprechung auch im Werk des 2022 verstorbenen Malers, Bildhauers und Zeichners Frank Herzog, mit dessen humorvoller, aber immer wieder auch feinsinnig-kritischer Arbeit wir die Ausstellung komplementieren. Herzog bediente sich schon seit den späten 1970er Jahren regelmäßig der Technik des Aquarells, und wusste dabei ihren unmittelbaren Charakter sehr eigenwillig einzusetzen. Bei der Erhebung von allgemein Banalisiertem und der feinen Unstimmigkeiten im Alltäglichen in den Bereich der Kunstwürde aquarellierte er gleichsam virtuos auf Baumwollpapier wie auf einem Kellnerblock. Er aquarellierte dahergeflogene Hummeln, Stubenfliegen und routinemäßige Feuerwehrübungen mit der gleichen Fertigkeit und Hingabe wie pointierte Architekturlandschaften. Immer wieder ist es dabei der spielerische Umgang mit dem Nebeneinander von unscheinbaren Bildinhalten, erhabenen Bildinszenierungen, und dem gezielten Einsatz von Leerstellen, die seine Arbeit ausmacht.
Mit Beckmann und Herzog bringen wir in diesem Sinn zwei Meister der Beobachtung zusammen, die sich mit ihrer Aquarellmalerei nicht nur auf der Ebene der Technik berühren, sondern sich auch in ihrem Verhältnis zur Lücke spiegeln, oder wie es die Kunstgeschichte formuliert hat: Dem Non-finito.
Julius Tambornino 2025
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