Eröffnung: Sonntag, den 18. September 2022, 14 Uhr
Begrüßung und Einführung 14:30 Uhr
Ausstellungsdauer: 18.09. – 20.10.2022
Öffnungszeiten: Mi – Fr 14-19 Uhr und Sa 14-16 Uhr
Immer wenn man sich in einem Raum mit Fenstern aufhält und es ertönt ein dumpfes Geräusch, fährt einem die Gewissheit durch die Glieder, dass da gerade ein armes Geschöpf einer Illusion unterlegen ist. Die besondere Beschaffenheit von Fensterglas, die dieser Alltagstragödie zugrunde liegt, hat dabei eine unterschätzte Bewandtnis: Glas ist dicht und durchlässig zugleich und weist auf das nicht immer eindeutige Verhältnis zwischen Wirklichkeit und Wahrnehmung.
Die Tropenhäuser in Botanischen Gärten bündelten diese paradoxe Besonderheit seit dem 19. Jahrhundert zu einem begehbaren Ideal. Ihre Abgeschlossenheit ermöglicht organisches Leben gänzlich unabhängig von der Jahresuhr und macht sie zu einer unabhängigen Biosphäre. Gleichzeitig simulieren sie das Gegenteil: Das Tageslicht verwischt die Grenze zwischen Innen und Außen und gibt uns das Gefühl, der Natur ganz nah zu sein.
Mit der kommenden Doppelausstellung verwandeln wir die gemalten Tropenhäuser des deutsch-ungarischen Malers Dénesh Ghyczy in Zoologische Gärten: Zusammen mit den Tieren der französischen Keramikerin Catherine Chaillou ergibt sich der Eindruck einer ganz eigenen, artfiziell belebten Sphäre im Ausstellungsraum. Dabei teilen beide Künstler nicht nur die temporäre motivische Gemeinsamkeit, auch in ihren übergreifenden künstlerischen Ansätzen finden sich parallele Linien.
Catherine Chaillous Arbeiten sind gekennzeichnet von einer doppelten Illusion. Die detailgetreuen Häute und Gefieder ihrer Geschöpfe erwecken den Eindruck einer heterogenen Materialität und konterkarieren ihre keramische Beschaffenheit, die doch in Sachen Festigkeit nicht zu überbieten ist. Gleichzeitig ergibt sich ein bildlicher Bruch innerhalb ihrer Objekte, die aus einem naturalistischen Geschöpf und einem abstrakten Sockel bestehen. Beides ist im gleichen Prozess gearbeitet, fixiert und physisch nicht mehr aufzutrennen, und doch bleibt beides in unseren Augen unvereinbar. So wirkt es fast als sei hier ein Moment versteinert und in ihm die Grenzen zwischen den materiellen Zuständen ausgelöscht worden.
Auch Ghyczy´s Malerei lebt von einem Illusionismus, der jedoch nicht auf der inhaltlichen, sondern auf der formalästhetischen Ebene beheimatet ist: Auf den ersten Blick ganz nah an einer naturalistischen Darstellung, löst sich auf den zweiten Blick und in den Zwischenräumen des Dargestellten vieles auf und entzieht sich unserer dechiffrierenden Wahrnehmung. Mal wie die farbig schillernden Lichtreflexe in einer imperfekten Optik, mal wie digitale Artefakte, streuen sich bildliche Irritationen in die Szenen ein, als sei hier ein visueller Eindruck in der Auflösung begriffen – oder als sei er gerade kurz vor seiner eigenen Vollendung. An vielen Stellen scheint es so, als blickten wir plötzlich auf die konstruktive Ebene eines Moments, also auf das was hinter dem Offensichtlichen liegt.
Es ist in diesem Sinn mit dem Erforschen und Festhalten ein sowohl den Botanikern, als auch den Zoologen bekanntes Leitprinzip das auch beide Künstler verbindet, und dem motivischen Thema unserer Ausstellung einen inhaltlichen Gedanken zur Seite stellt: Die Konservierung einer Sache ist ebenso wie die Konservierung eines Moments weder neutral noch trivial. Sie findet statt als Ergebnis einer Vielzahl von persönlichen oder gesellschaftlichen Entscheidungen und bestimmt unsere Sicht auf die Welt maßgeblich mit.